Ich dachte, ich würde eine Ewigkeit für diesen dicken Wälzer brauchen. Versteht mich nicht falsch, gute Bücher lese ich innerhalb von wenigen Tagen, falls ich es einrichten kann. „Becoming“ startete jedoch schleppend. Auch hier gibt es am Anfang sehr viele Beschreibungen von Menschen und Umgebung, was ich anstrengend finde. Es erweckt den Eindruck, dass ich als Leser auf der Stelle trete und nicht voran kommen. Dabei sollte es bei Biografien doch gerade vorwärts gehen, oder? Der Einstieg, der Prolog, zu dem Buch fand ich sehr vielversprechend. Michelle Obama ist allein mit ihren Hunden in ihrem neuen Haus in Washington und genießt die Ruhe. Sie weiß, dass Personenschützer das Haus im Blick haben, und dennoch genießt sie den Moment als Privatperson. Barfuß durch das Haus laufen, sich selber in der Küche einen kleinen Snack vorzubereiten, wieder eine Stück weit sie selber sein.

Danach steigt der Leser in das Leben von Michelle Robinson, so ihr Mädchenname, ein. Ihre Kindheit mit einem kranken Vater, der nicht aufgibt, ihr Wille, immer das Beste zu geben, in einer Gesellschaft, in der Farbige noch lange nicht die gleichen Chancen wie Weiße haben. Der Leser erfährt etwas über ihr musikalisches Talent und ihre Liebe zur Musik dank ihrem Großvater. Sie wächst in Chicago in einfachen Verhältnissen auf und arbeitet sich bis ganz nach oben, von einer inspirierenden Zeit an der Harvard Law School hinein in ein schickes Anwaltsbüro samt eigener Sekretärin. Mit 25 Jahre hat sie ihr Ziel erreicht, spürt jedoch, das ihr etwas fehlt. Die Begegnung mit Barack Obama ist ein Wendepunkt. Zusammen bemühen sie sich, Amerika ein Stück weit besser für die Schwachen in der Gesellschaft zu machen. Der Leser lernt die Obamas auf Hawaii kennen, bekommt Einblicke in das Familienleben und wie hart Michelle Obama arbeitet, um Familie und Vollzeitjob unter einen Hut zu bekommen. Alleine auf sich gestellt, da der Mann seinen politischen Pflichten nachkommt. An dieser Stelle fragte ich mich: „Muss da sein?“ Sie zerreibt sich, während er sich voll auf seinen Job konzentrieren kann? Klingt nicht nach einer gleichberechtigten Partnerschaft. Michelles Ängste und Sorgen während der Zeit im Weißen Haus um ihr Kinder kann jeder Mutter gut nachvollziehen. Überrascht war ich zu lesen, dass Michelles Mutter ebenfalls die acht Jahre mit ihnen im Weißen Haus gewohnt hat.

Alles in allem gibt dieses Buch einen sehr schönen Einblick in das Leben einer ehemaligen Präsidentengattin, mit all seinen Höhen und Tiefen. Darüber hinaus ist es natürlich ein zeitgeschichtliches Dokument, das verdeutlicht, dass die Gleichberechtigung von Farbigen in Amerika noch lange nicht eine Selbstverständlichkeit ist.

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